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Zukunftssicherheit durch Tarifvertrag: IAV GmbH Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr Gifhorn

Im Rahmen des Projektes "Gute Arbeit in der Transformation der Arbeitswelt: Mitbestimmung und Qualifizierung" (ehemals gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung) wurden in den Jahren 2021 bis 2022 leitfadenorientierte Interviews mit Interessenvertreter*innen aus fünf Betrieben geführt.

Als Zusammenfassung des Interviews mit einer Betriebsrätin der IAV wurde dieses Betriebsportraits erstellt, das wir an dieser Stelle vorstellen möchten.

 

Die IAV GmbH Ingenieursgesellschaft Auto und Verkehr hat als Engineering Dienstleister für die Automobilindustrie über 7000 Beschäftigte deutschlandweit und rund 3500 Beschäftigte am Standort Gifhorn. Größter Anteilseigner und Hauptkunde ist die Volkswagen AG. Komplexe Themen rund um und im Fahrzeug werden seit Unternehmensgründung bis heute bearbeitet, erforscht und neu gedacht. Dazu zählen die bauteileorientierte Entwicklung, Softwareentwicklung wie auch integrierte Fahrzeugsysteme -kurzum Forschung und Entwicklung am Gesamtfahrzeug

Zukunft als Tech-Enabler

Durch den Wandel der Automobilindustrie und andere Markteinflüsse hat die IAV in den vergangenen vergangenen Jahren ihre Strategie dem Markt angepasst und ist auf dem Weg vom Premium Entwicklungsdienstleister zum Tech Solution Provider (TSP). In der Folge heißt das, dass die Portfolios angepasst werden und damit neue Geschäftsfelder entstehen. Unter dem Motto "vom hardwareorientierten Produkt zu einem softwarebasierten Gerät auf Rädern" treibt IAV die Transformation der Mobilität voran, noch bevor der Kunde auch nur ahnt, was er braucht.

"IAV stellt sich der Herausforderung, wird zukünftig nicht mehr "nur" der klassische Entwicklungsdienstleister sein, sondern stellt sich als Tech Solution Provider für die Zukunft auf. Der Plan ist: Mit modernsten Technologiemethoden werden wir den Kunden proaktiv Lösungen anbieten. Der Antrieb der Zukunft  spielt neben der Vernetzung eine große Rolle. Das Fahrzeug muss zukünftig als Ganzes gedacht werden."

Zukünftig erforderliche Fähig- und Fertigkeiten der Beschäftigten 

Seitens der Mobilitätsdienstleister und OEM's werden ganz neue Anforderungen und Wünsche infolge der Transformation der  Automobilindustrie an IAV herangetragen.

Dabei stellt sich die Frage, welche Dienstleistungen das Unternehmen zukünftig als Tech-Enabler erfolgreich in Konkurrenz zu etablierten Playern anbieten kann.

Ebenso stellt sich die Frage, ob die Fähig- und Fertigkeiten der Beschäftigten vor Ort den gewandelten Anforderungen entsprechen können, wenn Softwarekompetenzen zukünftig im Fokus stehen.

Bei einem Großteil der Beschäftigten im EDL-Bereich handelt es sich um hochqualifizierte Ingenieure. Gleichzeitig sind aber auch Qualifikationen vorhanden, die im handwerklichen Bereich vorherrschen.

Qualitative Personalplanung

Um sich in der Zukunft positiv aufzustellen, wurden 2019 bei der IAV sogenannte Funktionsrollen eingeführt. Diese beschreiben die fachliche Ausrichtung eines Beschäftigten bei der IAV und definiert sich über Aufgaben, Ausbildung, Methodenkompetenz sowie Soft Skills.

Die Funktionsrollen im Zusammenhang mit den Portfolioelementen bilden die Grundlage für eine qualitative Personalplanung und ermöglichen somit eine bereichsübergreifende und bedarfsorientierte strategische Transformation sowie individuell angepasste Qualifizierungsmaßnahmen für alle Mitarbeitenden. Zielgerichtete Recruiting Maßnahmen sind so ebenfalls besser umsetzbar.

Transformation 2.0

"Die Transformation bei uns begann bereits 2018. Seinerzeit wurden Portfolios, die zukünftig nicht mehr gewinnbringend am Markt bestehen können, identifiziert. Entsprechenden Mitarbeitende wurden angesprochen und neue zukunftsweisende Portfolios aufgezeigt. Es begann die personelle Transformation.

Bis heute lernt IAV aus den Erfahrungen der Anfänge und passt die Maßnahmen der Transformation permanent an. Daraus entwickelte sich die Transformation 2.0."

Minimierung von Funktionsrollen 

Die erwarteten Zukunftsthemen einer angebotsorientierten Unternehmensstrategie werden über die "breitere Aufstellung des Unternehmens" im Kontext einer weiteren Decarbonisierung und Digitalisierung benannt. Dabei liegt die Minimierung einzelner Funktionsrollen klar auf der Hand

Was sich mit einer Minimierung von Funktionsrollen eher abstrakt anhört, löst bei Mitarbeitenden in entsprechenden Funktionsrollen abseits relevanter Zukunftsthemen auf lange Sicht eher Ungewissheit und Unsicherheit aus:

"Bereits in der Vergangenheit haben sich Arbeitsfelder und  -aufgaben verändert und wurden digitalisiert. Ein Beispiel dafür ist die Konstruktion, die vor Jahren am Zeichenbrett mit Bleistift und Tusche gemacht wurde. Heute ist die Tätigkeit ohne PC und Zeichenprogramm nicht mehr vorstellbar. Sogar eine 3-D-Brille ist im Einsatz und bedarf einer Weiterentwicklung. Dies ist ein gutes Beispiel, dass die Zukunft im Rahmen der Digitalisierung fortschrittlich umsetzbar ist. Wir nehmen jeden Mitarbeitenden, der bereit ist, sich neuen Themen zu öffnen, mit und geben jedem eine Zukunft innerhalb des Unternehmens."

Zukunftsfähige Funktionsrollen und Qualifizierung

Zukunftsrollen, die eine hohe Softwarekompetenz und das Knowhow zur Koordination und Steuerung von Projekten erforderlich machen, entsprechen eher den jüngeren Beschäftigten, die vermutlich überwiegend über eine entsprechende Vorqualifizierung verfügen. Parallel dazu qualifiziert IAV ihre Mitarbeitenden in Richtung der neuen Funktionsrollen.

"IAV hat eine umfangreiche Analyse vorgenommen und aus den Erfahrungen der bis jetzt stattgefundenen Transformation und dem Recruiting Bedarf entsprechende Qualifizierungsprogramme ausgearbeitet."

Den Transformationsprozess durch Tarifvertrag gestalten

Zur Gestaltung der auch im Gespräch so benannten Transformation über eine Qualifizierung in zukunftsfähige Funktionsrollen steht jedem Mitarbeitenden, neben dem bei IAV installierten Projektbüro, der Betriebsrat sowie ein guter Support der IG Metall zur Verfügung.

"Die entsprechenden Organisationen im Transformationsprozess sind in den Tarifverhandlungen 2019 schriftlich fixiert worden."

Auf der einen Seite standen die Tarifverhandlungen 2021 unter dem Vorzeichen betriebsbedingter Kündigungen. Trotzdem erscheint im Gespräch wesentlich, dass der Gesamtbetriebsrat "bei der Unternehmensstrategie involviert wurde und wird sowie in den verschiedenen Strategiegruppen mitarbeitete. Wir als Interessenvertreter stehen dem Unternehmen beratend zur Seite."

Kernstück des Zukunftstarifvertrags der IAV

In Vorbereitung der Tarifverhandlungen wurden Arbeitsgruppen für die Ausarbeitung einzelner Paragrafen mit Interessens- und Unternehmensvertretern gebildet. Kernstück des neuen Tarifvertrages ist ein umfassendes Gesamt-Qualifizierungszielbudget für die Beschäftigten.

"Der Qualifizierungsparagraf ist innerhalb des Unternehmens auch als "36+2" bekannt. Als Hintergrund hierzu ist die bestehende 36-Stunden-Woche, die aufgrund der wirtschaftlichen Lage 2003 in eine 38-Stunden-Woche angepasst wurde.

Es gab die mündliche Zusage, dass die Erhöhung der Arbeitszeit nur übergangsweise wäre. Die Beschäftigten wollten im Rahmen von vergangenen Tarifverhandlungen immer wieder zurück zur 36-Stunden-Woche. In der letzten Tarifverhandlung haben wir nun ausgehandelt und auch schriftlich fixiert, dass für jedes Geschäftsjahr ein Gesamt-Qualifizierungszielbudget von rechnerisch dem Wert von zwei Stunden pro Woche pro Mitarbeitenden zur Verfügung steht."

Über den IAV-Zukunftstarifvertrag hat jeder Mitarbeitende die Möglichkeit, sich in eine neue, zukunftsträchtige Rolle hinein zu entwickeln. Die entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen sind im internen Stellenmarkt in SuccessFactors hinterlegt, auf die jeder Mitarbeitende Zugriff hat und sich bewerben kann.

Prozesssteuerung 

Ein durch die Geschäftsführung, Betriebsräten und einem IG Metall-Vertreter paritätisch besetzter "Lenkungsausschuss" ist für die strategische Steuerung und die Prinzipien der Umsetzung der Transformation zuständig.

Der Steuerkreis, in dem sich Führungskräfte aus allen Bereichen engagieren, setzt sich für die operative Umsetzung regelmäßig zusammen, legt die Art, Ausgestaltung, den Umfang, die Zielgruppen und Prioritäten fest.

Das Projektbüro, welches sich regelmäßig zusammensetzt, ist für die Umsetzung der Qualifizierungsmaßnahmen und Genehmigung von Einzelmaßnahmen im Rahmen der Qualifizierung zuständig. 

Zentralisierung des Qualifizierungsbudgets 

"Früher hat jeder Bereich auf sich geschaut und die Qualifizierung für ihre Mitarbeitenden beantragt. Jeder Bereich war für sein Qualifizierungsbudget eigenverantwortlich. Wirtschaftlich gut aufgestellte Bereiche haben ihre Mitarbeitenden ausreichend qualifiziert und in Bereichen, die finanziell nicht so gut aufgestellt waren, sind Qualifizierungsmaßnahmen auch oft hinten runtergefallen. (...) wir hatten einen Bereich, der war defizitär aufgestellt und die Mitarbeitenden wurden nicht geschult. Das waren die ersten in der Transformation.

Durch den neuen Tarifvertrag, die Ausformulierung des neuen Paragrafen 13 und die Etablierung der einzelnen Ausschüsse wird dies umgangen. Alle Mitarbeitenden haben die Möglichkeit, sich freiwillig und frühzeitig in neue Rollen zu qualifizieren." 

Fazit

Eine Beschäftigungssicherung bis 30. Juni 2024 ist das Angebot an alle Beschäftigten, die bereit sind, sich weiterzuentwickeln und in neue Funktionsrollen qualifiziert werden möchten. Die direkte Erschließung einer Qualifizierungsstrategie aus der Unternehmensstrategie heraus sowie die breite Einbindung von von Interessenvertretung und IG Metall in der Prozessgestaltung zeichnen das Qualifizierungspaket des Zukunftstarifvertrags der IAV GmbH als erfolgsversprechend aus.

In diesem Sinne schließen sich die unter anderem ausgehandelten Rahmenbedingungen für Altersteilzeit, flexible Arbeitsmethoden und  -orte sowie agile Arbeit an.

 

Das Gespräch mit der Betriebsrätin der IAV wurde 2021 geführt und 2022 von ihr überarbeitet.  Für eine bessere Lesbarkeit wurden im Nachgang Zwischenüberschriften eingefügt.

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